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22.03.24 – 23.03.24 (Köln)

Jahrestagung 2024 der GPED – Philosophiegeschichte und Philosophiedidaktik

Jahrestagung 2024 der GPED – Philosophiegeschichte und Philosophiedidaktik

Im Vergleich zu anderen Fächern scheint die Philosophie ein besonderes Verhältnis zu ihrer Geschichte zu haben. Schon ein Blick in Vorlesungsverzeichnisse und Schulbücher verstärkt den Eindruck, dass sich Philosophie und Philosophieren kaum ohne Inhalte ihrer Geschichte lehren und lernen lasse. Lässt sich dieser Befund fachdidaktisch begründen? Wenn ja: Welche historischen Inhalte sind für die Vermittlung des Fachs aus welchen Gründen zentral, und inwiefern sollte der bestehende Kanon revidiert werden? Schließlich: Welche Implikationen hat das Verhältnis zwischen Philosophiegeschichte und -didaktik für die konkrete unterrichtliche Praxis? Auf der diesjährigen Jahrestagung der GPED, die Manuel Lorenz und Tim Porps vom 22. bis zum 23. März an der Universität zu Köln ausrichteten, setzten sich rund 70 Teilnehmer:innen mit dem spannungsreichen Verhältnis von Philosophiegeschichte und Philosophiedidaktik auseinander. In drei Themenschwerpunkten, Grundlagen, Kanon und Praxis, wurden in 15 Vorträgen und einer Podiumsdiskussion Fragen im Feld „Philosophie, Philosophiegeschichte und Philosophiedidatik“ behandelt.

Den Auftakt der Tagung bildete der Satellitenworkshop der Jungen GPED. Unter der Leitung von Melanie Förg, Patrick Maisenhölder, Sophia Peukert und Katharina Schulz bot dieser Workshop wie schon im letzten Jahr Doktorand:innen die Möglichkeit zur Vernetzung und zur Präsentation laufender Dissertationsprojekte. In diesem Jahr stellten Valentin Stoppe, Jule Bärmann und Alina Sawitza ihre Projekte und Konzepte vor. Der Workshop wurde abermals als äußerst gelungene und ertragreiche Veranstaltung wahrgenommen, die inzwischen einen festen Platz auf der Jahrestagung der GPED hat.

Nach der offiziellen Eröffnung der Jahrestagung durch den Vorsitzenden der GPED, Philipp Richter, gab Manuel Lorenz eine Einführung in das Thema und stimmte die Teilnehmenden auf die zu diskutierenden Problemfelder ein. Zunächst standen die Grundlagen des Verhältnisses von Philosophiegeschichte und Philosophiedidaktik im Mittelpunkt. Christian Thein (Münster) fragte, wie man die Kluft zwischen historisch bedingten Eigenarten bestimmter Inhalte und einem aktuellen, didaktischen Erkenntnisinteresse überbrücken könne und stellte dazu die Möglichkeit eines geneaologischen Zugriffs auf die Philosophiegeschichte zur Diskussion. Johannes Balle (Köln) zeigte Potenziale des mimetischen Umgangs mit historischen Inhalten und Autor:innen auf, und Tobias Gutmann (Greifswald) plädierte dafür, die Diskontinuität philosophischer Probleme zu berücksichtigen. Jens Schäfer (Köln) betonte die Bedeutung eines Wissens um die Philosophiegeschichte für die Philosophiedidaktik, während Stefano Franceschini (Kiel) den Umgang mit umstrittenen Philosophiegeschichten kritisch analysierte. Klaas Hadaschik (Kiel) warf schließlich einen ideologiekritischen Blick auf Geschichtsnarrative der Gegenwart. Das Programm des ersten Tages endete mit einer Podiumsdiskussion, auf der Annika von Lüpke (Koblenz), Andreas Speer (Köln), Leonie Teubler (Köln) und René Torkler (Kiel) unter der Moderation von Manuel Lorenz Fragen aus allen drei Themenbereichen diskutierten.

Der Folgetag eröffnete mit dem zweiten Schwerpunkt des philosophischen Kanons. Hier wurden Probleme rund um die Frage diskutiert, welche philosophischen Klassiker aus welchen Gründen (k)eine Rolle bei der Vermittlung des Fachs spielen sollten. Dominik Balg (Mainz) und Leonard Dung (Erlangen-Nürnberg) stellten Kriterien zur Diskussion, anhand derer Lehrende entscheiden könnten, ob sie bei ihren Vermittlungsbemühungen eher auf historische Inhalte der Traditionen zurückgreifen sollten oder auf Beiträge aus der jüngeren philosophischen Forschung. Auch Katharina Schulz (Göttingen) betonte die Relevanz des pädagogischen Potenzials bei der Auswahl von Inhalten und regte dabei insbesondere zu einer kritischen Revision des stark männlich und westlich geprägten Schulkanons an. Dagmar Comtesse (Duisburg-Essen) analysierte, wie durch die Festlegung auf einen bestimmten Kanon Ideologien transportiert würden, und Hannah Holme (Frankfurt) erörterte Potenziale und Grenzen des Einsatzes von klassischen Inhalten in der Primarstufe. Ralf Glitza und Erdmann Görg (Bochum) plädierten für eine Erweiterung des Kanons um Positionen der Philosophie der islamischen Welt und der chinesischen Philosophie. Ben Krumpen (München) griff die Frage auf, ob und inwiefern Kant als Rassist bezeichnet werden könne und welche didaktischen Konsequenzen sich daraus für die Auseinandersetzung mit seiner Philosophie ergäben.

Der dritte Themenschwerpunkt befasste sich mit Überlegungen zur konkreten Unterrichtspraxis. Mathias Holweger (Wendlingen) und Friedrich Christoph Dörge (Tübingen) warfen die Frage auf, wie eine Lehrkraft mit einem Inhalt umgehen könne, der einerseits als unverzichtbarer Klassiker gilt, dessen treffende Interpretation andererseits aber selbst in der philosophischen Forschung umstritten ist. Melanie Förg (München) erkundete das didaktische Potenzial, Anekdoten über Philosoph:innen im Unterricht einzusetzen. Und Markus Bohlmann (Münster) zeigte Probleme der klassischen Begriffsanalyse auf und untersuchte das Potenzial historischer Vorbilder für neue Modelle der Begriffsanalyse in der Philosophiedidaktik.

In der gemeinsamen Abschlussreflexion wurde einmal mehr deutlich, dass die kritische Auseinandersetzung mit der Philosophiegeschichte als zentrales Anliegen der Philosophiedidaktik gelten kann, das nicht nur im Rahmen der diesjährigen Tagung auf ein breites Interesse stieß, sondern das auch Gegenstand einer eigenen GPED-Arbeitsgruppe ist. Darüber hinaus wird das Journal of Didactics of Philosophy 2025 ein Special Issue mit dem Titel The History of Philosophy and its Significance for Educational Practice veröffentlichen. Interessierte sind herzlich eingeladen, dem aktuellen Call for Papers zu folgen und Beiträge einzureichen.

Manuel Lorenz & Tim Porps (April 2024)